Klimaaktivisten im Visier der Behörden: Sind Klimakleber eine „kriminelle Vereinigung“?

Veröffentlicht am: 05.Juni.2023Kategorien: RechtlichesSchlagwörter: Lesezeit: 3 Min.
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Christina Schröder schreibt bei Recht 24/7 für den Love & Law Blog über rechtliche Themen.

In Deutschland sorgt eine Razzia bei der Gruppierung „Letzte Generation“ für Aufsehen. Die Behörden haben zwei Konten und eine Website beschlagnahmt, was zu deren Abschaltung führte. Die Durchsuchungen fanden in Bayern und sechs weiteren Bundesländern (Berlin, Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein) statt. Dabei wurden insgesamt 15 Objekte durchsucht. Es gab jedoch keine Festnahmen.

Groß angelegte Aktion der Generalstaatsanwaltschaft München

Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München leitete die Aktion ein. Sie ermittelt gegen sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren. Ihnen wird vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gegründet oder unterstützt zu haben. Den Beschuldigten wird zur Last gelegt, durch eine Spendenkampagne 1,4 Millionen Euro gesammelt und dieses Geld größtenteils für weitere Straftaten der Gruppierung verwendet zu haben. Zwei der Beschuldigten stehen zudem im Verdacht, im April 2022 die Öl-Pipeline zwischen Triest in Italien und Ingolstadt in Bayern sabotiert zu haben.

Entsetzen bei Klimaklebern – Uneinigkeit bei Behörden und Fachleuten

Die Aktion löste bei der Letzten Generation Entsetzen aus. Die Sprecherin Aimée van Baalen bezeichnete die Durchsuchungen als „komplett absurd“ und betonte, dass sie die Aktivisten hart getroffen hätten. Trotzdem rief sie dazu auf, den Widerstand fortzusetzen, u.a. mit Protestmärschen in verschiedenen deutschen Städten noch in der gleichen Woche.

Es wird derzeit in Deutschland diskutiert, ob es sich bei der Letzten Generation um eine „kriminelle Vereinigung“ handelt. Der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung wird im Strafgesetzbuch (StGB) behandelt. In den 1970er Jahren wurde dieser vor allem gegen Mitglieder und Unterstützer der linksextremen RAF (Rote Armee Fraktion) angewandt. Der Begriff „Klima-RAF“ für die Letzte Generation wurde von Alexander Dobrindt, dem CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, geprägt und wird seitdem gerne in Bayern von der CSU verwendet.

Die Berliner Staatsanwaltschaft ist sich hingegen nicht sicher, ob es sich bei den Klimaklebern tatsächlich um eine kriminelle Vereinigung handelt. Ihr Sprecher Sebastian Büchner betont, dass für den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung eine gewisse Terrorismus-Ähnlichkeit und erhebliche Gefahr erforderlich seien. Die Aktionen der Klimakleber seien jedoch eher als „dauerhaftes Lästig-Werden“ zu bezeichnen. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft in Berlin mehr als 1.980 Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Auch in Brandenburg hingegen sieht man Anhaltspunkte für die Anwendung des Straftatbestandes der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Dort fanden bereits im November 2022 Durchsuchungen bei der Letzten Generation statt, nachdem diese Aktionen gegen die PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder durchgeführt hatte. Die Beschwerde der Betroffenen wurde vom Potsdamer Landgericht als unbegründet zurückgewiesen.

Die neue Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg prüft ebenfalls, ob es sich bei der Klimagruppe um eine kriminelle Vereinigung handelt. Sie betont jedoch die Unabhängigkeit der Justiz und dass letztendlich die Staatsanwaltschaft das Anklagemonopol hat und nur die Gerichte Recht sprechen können.

Zusätzlich wird diskutiert, ob die Letzte Generation für die Schäden, die sie verursacht, zur Kasse gebeten werden kann. Der neue Berliner Bürgermeister Kai Wegner erkundet die Möglichkeiten, um Berlin von den Auswirkungen dieser Aktionen zu befreien. In einigen Bundesländern wie Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Hessen werden bereits Kosten für Polizeieinsätze in Rechnung gestellt. Die Gewerkschaft der Polizei fordert ein bundeseinheitliches Vorgehen. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Aktionen der Letzten Generation als „total bekloppt“, woraufhin die Gruppierung die SPD-Zentrale in Berlin mit orangefarbener Farbe beschmierte.

Fazit: Eine gespaltene Bevölkerung und emotionale Diskussion

Die Diskussion über den Klimaaktivismus und die Frage, ob Aktionen wie die der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung betrachtet werden sollten, spaltet die Meinungen. Während einige die Straßenblockaden und Protestaktionen als legitime Form des zivilen Ungehorsams betrachten, sehen andere darin eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit und eine Verletzung der Rechtsordnung. Wie die juristische Bewertung am Ende ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin werden die Aktionen der Klimakleber weiterhin kontrovers diskutiert und die Konfrontation zwischen Aktivisten und Behörden wird voraussichtlich anhalten.