Gender-Weigerung: Droht Arbeitnehmern die Kündigung?

Veröffentlicht am: 02.November.2022Kategorien: Arbeitswelt, RechtlichesSchlagwörter: , Lesezeit: 2 Min.
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Nora Wölflick schreibt bei Recht 24/7 über interessante, tagesaktuelle Themen für den Love & Law Blog.

Gendern oder nicht? Diese Frage beschäftigt nicht nur Privatpersonen, sondern auch viele Arbeitgeber. Und jetzt auch deutsche Gerichte, denn einem Soziologen aus Bonn wurde fristlos gekündigt – weil er nicht gendern wollte.

Das Gendern ist mittlerweile in aller Munde. Hochschulen, Behörden und auch immer mehr Unternehmen verpflichten ihre Mitarbeiter zur Verwendung der gendergerechten Sprache. Das führt zu juristischen Streitigkeiten, wie jetzt ein Fall aus Bonn belegt.

Gender-Weigerung führte zur Kündigung

Seit elf Jahren war Dr. Klaus Roggenthin Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Strafhäftlinge (kurz: Bag-S). Doch am 24. Februar endete seine Anstellung. Der Grund: Roggenthin weigerte sich, gendergerechte Sprache zu verwenden. „Ich möchte für mich selbst entscheiden, welche Sprache ich nutze“, so Roggenthin in einem Interview. Die Reaktion seines Arbeitgebers erfolgte prompt – in Form einer fristlosen Kündigung. Roggenthin klagte, der Fall landete vor dem Arbeitsgericht. Die Vertreter der Bag-S widersprachen der Darstellung des Soziologen. Das Arbeitsverhältnis sei bereits seit Jahren belastet gewesen, unter anderem aufgrund von Kompetenzüberschreitungen. Die Verhandlung endete mit einem Vergleich. Bleibt jedoch die Frage: Dürfen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern das Gendern vorschreiben?

Wie ist die Rechtslage?

Nur die wenigsten Arbeitsverträge dürften derzeit Regelungen enthalten, die Mitarbeiter zum Gendern verpflichten. Allerdings könnte sich eine solche Pflicht aus dem sogenannten Direktionsrecht des Arbeitgebers ergeben. Dieses Recht ist in § 106 der Gewerbeordnung geregelt und berechtigt Vorgesetzte, die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses auch über das im Vertrag geregelte hinaus zu konkretisieren. Heißt: Schreibt der Chef das Gendern vor, muss sich der Mitarbeiter an diese Anordnung halten. Dies gilt jedoch nur, sofern eine entsprechende Anordnung für den Mitarbeiter nicht als „unzumutbar“ gilt. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Mitarbeiter auf Anweisung einen Text verfassen soll, in welchem er namentlich als Autor genannt wird. Dann könnte die Gender-Anordnung in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen – und dieser dürfte sich weigern, zu gendern.

Grenzen des Direktionsrechts

Für Klaus Roggenthin ist diese Unterscheidung nicht mehr von Belang. Er akzeptierte das Vergleichsangebot der Bag-S. Auch, weil das Unternehmen andernfalls mit einer außerordentlichen Kündigung drohte. „Ich bin nicht zufrieden mit dem Ergebnis“, sagt Roggenthin. Und ergänzt: „Positiv ist, dass der Prozess sichtbar gemacht hat, dass das Gendern keineswegs immer nur freiwillig ist.“ Welche Auswirkungen der Ausgang des Prozesses auf zukünftige Verfahren hat, bleibt abzuwarten. Eine eindeutige Rechtsprechung zu dem Thema existiert in Deutschland bisher nicht.