VG München: Keine Auskunft über Verteidiger – Pressefreiheit vs. Mandantengeheimnis
Ein überraschendes Urteil für Journalisten
Das Verwaltungsgericht (VG) München hat entschieden: Journalisten haben keinen Anspruch darauf, die Namen von Strafverteidigern in einem laufenden Ermittlungsverfahren zu erfahren (Beschl. v. 18.06.2025, Az. M 10 E 25.3465). Diese Entscheidung steht im krassen Gegensatz zu einem kürzlich gefällten Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Hamburg, das genau das Gegenteil entschied.
Was war passiert?
Im Mai 2025 wurde in München ein Tatverdächtiger wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts festgenommen. Die Polizei informierte die Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung und auf einer Pressekonferenz. Ein Journalist, der an der Pressekonferenz nicht teilgenommen hatte, wollte daraufhin von der Staatsanwaltschaft den Namen des Verteidigers des Tatverdächtigen erfahren. Die Staatsanwaltschaft verweigerte jedoch die Auskunft mit der Begründung, dass die Wahl des Verteidigers Teil des Mandantengeheimnisses sei und nicht von Justizpressesprechern preisgegeben werden dürfe.
Trotz einer weiteren Anfrage, dieses Mal durch den Justiziar der Zeitung, blieb die Antwort aus. Der Journalist zog daraufhin vor Gericht und beantragte eine einstweilige Anordnung auf Auskunftserteilung.
Münchener VG: Schutz des Mandantengeheimnisses
Im Gegensatz zu den Hamburger Gerichten, die der Presse einen Auskunftsanspruch zusprachen, entschied das VG München zugunsten des Mandantengeheimnisses. Das Gericht argumentierte, dass die Verschwiegenheitspflicht eines Anwalts gemäß § 43a Abs. 2 S. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auch im Interesse der Allgemeinheit an der rechtsstaatlichen Rechtspflege liege. Diese Pflicht sei unerlässlich und überwiege das Informationsinteresse der Presse.
Das VG München erklärte, dass der Journalist seinen Anspruch nicht auf Art. 4 Abs. 1 S. 1 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) stützen könne. Zwar habe die Presse grundsätzlich ein Recht auf Auskunft gegenüber Behörden, jedoch dürfe diese Auskunft verweigert werden, wenn eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Das Mandantengeheimnis sei eine solche Pflicht und schütze die Anonymität des Verteidigers.
Pressefreiheit vs. Mandantengeheimnis
Die Kammer des VG München räumte ein, dass die Pressefreiheit im Rahmen der Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren ein besonderes Gewicht habe. Dennoch überwiege in diesem Fall das Mandantengeheimnis. Solange der Beschuldigte keine Selbstöffnung gegenüber der Presse wünsche, sei das Verbleiben in der Anonymität des Verteidigers verfassungsrechtlich geschützt. Eine Umgehung dieser anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht durch eine Presseauskunft der Staatsanwaltschaft sei nicht zulässig.
Kein Anspruch nach Grundgesetz und EMRK
Das VG München sah auch keinen entsprechenden Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bzw. Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Presse müsse sich bis zu einem etwaigen ersten Hauptverhandlungstermin gedulden, da dieser gemäß § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) grundsätzlich öffentlich sei. Bis dahin müsse sie sich mit den Informationen begnügen, die von Polizei und Staatsanwaltschaft veröffentlicht würden.
Ein kritischer Blick auf die Entscheidung
Die Entscheidung des VG München zeigt, wie komplex das Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und dem Schutz des Mandantengeheimnisses ist. Während die Presse ein berechtigtes Interesse daran hat, umfassend über Ermittlungsverfahren zu berichten, müssen die Rechte der Beschuldigten und ihrer Verteidiger gewahrt bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung Bestand haben wird oder ob höhere Instanzen zu einem anderen Ergebnis kommen.
Erfahre mehr über Deine Rechte und wie Du Dich schützen kannst. Buche jetzt eine Beratung bei unseren Experten für Medienrecht!