Teilzeit-Krankschreibung: Ein Modell mit Potenzial – oder doch eine Falle?
Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause und nutzen flexible Arbeitszeiten. In diese Entwicklung passt der neue Vorschlag zur Teilzeit-Krankschreibung – eine Idee, die im In- und Ausland für Diskussionen sorgt. Doch für wen könnte dieses Modell tatsächlich Vorteile bringen, und was sind die möglichen Fallstricke?
Was ist eine Teilzeit-Krankschreibung?
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat eine Idee ins Gespräch gebracht: Wer nur leicht erkrankt ist, könnte zukünftig für einige Stunden am Tag arbeiten und den Rest der Zeit zur Genesung nutzen. Dies könnte vor allem dank digitaler Arbeitsmöglichkeiten einfacher umsetzbar sein. Der Ansatz: Bei leichten Infekten könnten Arbeitnehmende von zu Hause aus in reduziertem Umfang tätig sein, ohne dabei Kollegen anzustecken. Reinhardt sieht darin eine Möglichkeit, Arbeit und Gesundheit unter einen Hut zu bringen.
Chancen und Risiken einer Teilzeit-Krankschreibung
Vorteile: Entlastung und Produktivität
Ein Vorteil dieses Modells ist die Flexibilität, die es Arbeitnehmenden bietet. Gerade in Berufen, in denen sich Arbeit schnell anstaut, könnte eine Teilzeit-Krankschreibung verhindern, dass sich die To-Do-Liste ins Unermessliche verlängert. So bliebe die Rückkehr ins Büro nach der Genesung entspannter, ohne das Gefühl, in Arbeit zu ertrinken. Auch die deutsche Wirtschaft könnte profitieren: Experten schätzen, dass allein eine zehnprozentige Reduktion der vollen Krankheitstage durch Teilzeitarbeit zu rund 45 Millionen zusätzlichen Arbeitstagen jährlich führen würde – ein Produktivitätsgewinn von etwa fünf Milliarden Euro.
Nachteile: Druck und gesundheitliche Risiken
Doch nicht alle sehen diese Entwicklung positiv. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert, dass ein solches Modell Arbeitnehmende unter Druck setzen könnte. Das Risiko: Chefs könnten Mitarbeitende dazu drängen, auch bei ernsthaften Beschwerden zu arbeiten. Vorstandsmitglied Anja Piel warnt, dass solche Praktiken die Gefahr bergen, die Krankheit zu verschleppen und langfristig die Gesundheit und Erwerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen. Schon jetzt gehen viele Menschen krank zur Arbeit oder arbeiten krank im Homeoffice – eine Entwicklung, die weiter zunehmen könnte.
Internationale Erfahrungen: Ein Blick nach Schweden
Schweden hat bereits positive Erfahrungen mit der Teilzeit-Krankschreibung gemacht. Dort können Ärzte entscheiden, ob jemand zu 25, 50 oder 75 Prozent arbeitsfähig ist. Das Modell hat sich bewährt: Rund ein Drittel der Krankgeschriebenen nutzt diese Möglichkeit, wodurch sowohl die Arbeitsunfähigkeitstage als auch die Kosten für Krankengeld gesenkt werden konnten. Allerdings gibt es Unterschiede: In Schweden erhalten Angestellte nur zwei Wochen lang etwa 80 Prozent ihres Gehalts als Krankengeld, während in Deutschland sechs Wochen lang das volle Gehalt gezahlt wird. Der finanzielle Druck, schnell wieder zu arbeiten, ist in Schweden also höher.
Teilzeit-Krankschreibung – eine sinnvolle Lösung?
Ob sich das Modell der Teilzeit-Krankschreibung in Deutschland durchsetzt, bleibt abzuwarten. Erfahrungen aus Skandinavien zeigen, dass es funktionieren kann, wenn es mit Augenmaß und unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmenden umgesetzt wird. Der Nutzen wäre enorm, aber auch die Risiken sind nicht zu unterschätzen. Klar ist: Eine Regelung muss her, die flexibel genug ist, um die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden zu wahren, und gleichzeitig verhindert, dass der gesundheitliche Druck auf Beschäftigte wächst.
Am Ende könnte es darauf ankommen, wie Unternehmen und Beschäftigte das Modell annehmen und ob der Gesetzgeber Rahmenbedingungen schafft, die einen Missbrauch verhindern. Nur dann könnte die Teilzeit-Krankschreibung zu einem echten Fortschritt für den Arbeitsmarkt und die Gesundheit der Beschäftigten werden.