Ryanair knickt ein: Kein Urteil im Streit um geschlechtsneutrale Anrede
Fluglinie verzichtet auf Urteil – nonbinäre Person setzt Zeichen
Der Flug ist storniert – zumindest juristisch: Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair hat sich im Streit mit einer nonbinären Person außergerichtlich geeinigt. Damit entfällt die geplante Entscheidung des Berliner Landgerichts. Und das, obwohl der Fall das Potenzial hatte, eine neue Rechtsgrundlage in Sachen geschlechtsneutrale Anrede zu schaffen.
Was genau in der Einigung steht, bleibt geheim. Doch erfahrungsgemäß fließt in solchen Fällen Geld – und das Problem wird leise beseitigt. Sichtbarkeit gibt’s aber trotzdem: Denn wieder einmal wurde ein großer Player gezwungen, sich mit dem Thema Geschlechtervielfalt ernsthaft auseinanderzusetzen.
„Herr“, „Frau“, „Fräulein“ – und sonst?
Der konkrete Auslöser des Verfahrens: Im Herbst 2021 wollte René Hornstein ein Ticket bei Ryanair buchen – und fand im Auswahlmenü nur die Optionen „Herr“, „Frau“ und (man glaubt es kaum) „Fräulein“. Keine Spur von „divers“, „Mx.“ oder einer neutralen Ansprache.
Hornstein, Gründungsmitglied des Bundesverbands Trans*, fühlte sich diskriminiert. Denn: Wer weder Mann noch Frau ist, wird damit zwangsläufig in eine falsche Kategorie gedrängt. Das verletze das Persönlichkeitsrecht und verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), so das Argument. Gefordert wurden 5000 Euro Schmerzensgeld – ein deutliches Signal, das mehr als nur eine technische Korrektur bewirken sollte.
Die Bahn musste schon früher nachsitzen
Ganz neu ist dieser Streit nicht: 2022 hatte Hornstein bereits gegen die Deutsche Bahn gewonnen. Damals sprach das Oberlandesgericht Frankfurt (Main) 1000 Euro Schmerzensgeld zu – und verpflichtete die Bahn dazu, in ihren Buchungssystemen eine geschlechtsneutrale Option einzuführen. Ein klarer Präzedenzfall, der Ryanair unter Druck setzte. Doch statt ein weiteres Urteil zu kassieren, entschied sich die Fluggesellschaft nun offenbar für den stillen Rückzug.
Das bedeutet aber auch: Es gibt kein neues Grundsatzurteil – und damit keine juristische Schubkraft für ähnliche Fälle.
Urteil hätte Signal gesetzt
Es ist bedauerlich, dass Ryanair nicht auf ein Urteil gesetzt hat. Denn der Rechtsstreit hätte ein starkes Signal gesetzt – nicht nur für Fluglinien, sondern für alle Unternehmen mit digitalen Services. Wer 2025 noch mit „Herr“ und „Frau“ arbeitet, hat das digitale Zeitalter nicht verstanden – und das gesellschaftliche sowieso nicht.
Die Entscheidung zur Einigung zeigt aber auch: Der öffentliche Druck wirkt. Unternehmen wollen sich keine Blöße geben – und zahlen lieber, als ein Urteil zu riskieren. Das ist praktisch für Betroffene, aber problematisch für die Rechtsprechung.
Wer in einer globalisierten Welt fliegen will, sollte nicht auf halber Strecke in alte Rollenbilder abstürzen. Geschlechtsneutrale Anrede ist kein „Woke-Trend“, sondern ein Menschenrecht. Und spätestens seit diesem Fall wissen Unternehmen: Wer hier nicht aufrüstet, wird früher oder später am Gate abgewiesen – juristisch gesehen.