Rechnen wie das Jobcenter? Muss niemand! Familie muss Bürgergeld nicht zurückzahlen

Verwaltungsfehler beim Jobcenter – und die Familie soll’s zahlen?
3.000 Euro zu viel überwiesen – und dann auch noch zurückfordern? Nicht mit dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg! In einem aktuellen Urteil hat das Gericht einer Familie Recht gegeben, die wegen eines Rechenfehlers des Jobcenters zu viel Bürgergeld erhalten hatte. Die Rückforderung? Unzulässig – weil man von Bürgergeldempfängern keine buchhalterische Präzision verlangen darf. (Urt. v. 03.04.2025, Az. L 3 AS 772/23)
Das Jobcenter hatte die Leistungen nämlich auf Basis eines falschen Einkommens berechnet – statt mit den angegebenen 1.600 Euro netto, rechnete man mit 1.600 Euro brutto. Ergebnis: Die Familie bekam rund zehn Monate lang zu viel ausgezahlt. Als der Fehler aufflog, flatterte prompt der Rückforderungsbescheid ins Haus.
Erst Behördenfehler – dann Rückzahlungsforderung
Die Betroffene, die als Vertreterin der dreiköpfigen Familie auftrat, wehrte sich gegen die Rückforderung. Vor dem Sozialgericht hatte sie noch verloren – man unterstellte ihr, den Fehler „grob fahrlässig“ übersehen zu haben. Doch das Landessozialgericht sieht das ganz anders: Man muss nicht besser rechnen als die Behörde selbst.
Die Richter betonten: Bürgergeldbescheide seien oft komplex, mit verschachtelten Tabellen, unklaren Begriffen und kleinteiliger Berechnung über mehrere Seiten. Und nicht jeder Mensch – vor allem ohne juristische oder kaufmännische Ausbildung – könne auf den ersten Blick erkennen, dass etwas falsch berechnet wurde. Besonders dann, wenn zum ersten Mal Erwerbseinkommen eine Rolle spielt.
Grobe Fahrlässigkeit? Nicht bei komplizierten Amtsbescheiden
Für eine Rückzahlung hätte laut Gesetz grobe Fahrlässigkeit vorliegen müssen – also ein krasser Verstoß gegen die eigene Sorgfaltspflicht. Doch das sah das Gericht nicht gegeben: Die Ehefrau habe zwar den Fehler nicht bemerkt, das sei angesichts der Komplexität des Bescheids aber nachvollziehbar. Vor allem, weil vorher nur ALG I bezogen wurde – wo Brutto- und Nettodifferenzen keine Rolle spielten.
Fazit: Wenn selbst die Behörde nicht mehr durchblickt, kann man das nicht vom Bürger erwarten. Das Vertrauen in den Bewilligungsbescheid sei schutzwürdig – die Familie darf die zu viel erhaltenen Leistungen behalten.
Man muss dem Jobcenter vertrauen können
Dieses Urteil ist ein starkes Zeichen gegen die kalte Logik von Rückforderungsbescheiden. Wer sich durch die Bürokratie kämpft und auf die Informationen des Jobcenters vertraut, darf am Ende nicht der Dumme sein, nur weil ein paar Zahlen verrutscht sind.
Behörden, die fehlerhaft rechnen, sollten erst bei sich selbst aufräumen, bevor sie Bürger:innen zur Kasse bitten. Und wer einen Hartz-IV- oder Bürgergeldbescheid versteht, ohne Jura oder BWL studiert zu haben, gehört nicht bestraft – sondern ins Finanzministerium.