Lehrer klagt gegen Dauerstress: Wie ein Einzelner die verkrustete Arbeitszeiterfassung aufbrechen könnte

Published On: 18.Juni.2025Kategorien: Arbeitswelt, Rechtliches3 min read
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Christina Schröder schreibt über rechtliche Themen für den Love & Law Blog bei Recht 24/7.

Beamter auf dem Papier, Überstundensklave in der Realität?

Lehrerin oder Lehrer sein – das klingt für viele immer noch nach Halbtagsjob mit langen Ferien. Doch wer im Schulalltag steckt, weiß: Der tatsächliche Aufwand hat mit dem offiziell geregelten Deputat wenig zu tun. Vor allem Gymnasiallehrkräfte arbeiten oft weit über ihre wöchentliche Sollzeit hinaus – und das ohne jede verlässliche Zeiterfassung.

In Baden-Württemberg will ein Lehrer das jetzt nicht länger hinnehmen – und zieht vor Gericht. Unterstützt vom Philologenverband Baden-Württemberg, klagt er gegen das Land. Sein Ziel: Die bislang gesetzlich festgelegte Lehrkräftearbeitszeit für ein volles Deputat soll gerichtlich überprüft werden – weil sie die tatsächliche Arbeitsbelastung systematisch unterbewertet.

Zwei Urteile – null Umsetzung: Wie lange noch?

Eigentlich ist die Rechtslage eindeutig. Der Europäische Gerichtshof (2019) und das Bundesarbeitsgericht (2022) haben klargestellt: Arbeitgeber müssen die tägliche Arbeitszeit erfassen – objektiv, zugänglich und verlässlich. Das gilt ausdrücklich auch für den öffentlichen Dienst. Doch für Lehrkräfte scheint dieses Prinzip bislang nicht zu gelten. Während Ministerien, Schulämter und sogar Schulpsychologische Dienste längst elektronisch erfassen, bleibt der Lehreralltag in Sachen Arbeitszeit ein blinder Fleck.

Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sieht jedenfalls keinen Handlungsbedarf. Eine „zeitnahe Einführung“ sei nicht geplant, so die offizielle Antwort auf eine parlamentarische Anfrage. Warum? Weil auf Bundesebene noch keine gesetzliche Regelung vorliege – obwohl selbst das Bundesarbeitsministerium inzwischen eingeräumt hat, dass die Pflicht schon jetzt gilt.

Es geht um mehr als Stunden – es geht um Gerechtigkeit

Der Lehrer, der nun klagt, will mehr als bloß eine Zeiterfassung per Excel. Er will rechtlich feststellen lassen, dass die Arbeitszeitverordnung für Gymnasiallehrkräfte realitätsfern ist – weil sie die Vielzahl an Aufgaben außerhalb des Unterrichts ignoriert: Korrekturen, Konferenzen, Elterngespräche, Aufsichten, Projekte, Verwaltungsaufgaben – die Liste ist lang.

Studien belegen das seit Jahren: Lehrkräfte leisten im Schnitt mehr als 45 Stunden pro Woche, teils deutlich darüber. Dennoch fehlt ein offizielles Erfassungssystem. Während in Bremen immerhin ein Modellversuch für 2026 geplant ist, herrscht in vielen Bundesländern weiter Stillstand – oder politische Blockade, etwa durch die FDP in der Ampel-Regierung.

Der Philologenverband bringt es auf den Punkt: „Unsere Mitglieder sind nicht mehr bereit, diese strukturelle Überbelastung als Normalzustand hinzunehmen.“ Und er hat recht. Denn ohne objektive Erfassung bleibt jede Diskussion über Lehrerarbeitszeit eine Mischung aus Bauchgefühl, Misstrauen und politischer Verweigerung.

Das Problem ist nicht neu – aber endlich hat jemand die Nerven, es durchzuklagen.

Seit Jahren ignorieren Kultusministerien systematisch die Realität an Schulen – unter dem Deckmantel von „pädagogischer Freiheit“ und „Berufung statt Beruf“. Doch damit lässt sich keine rechtswidrige Überlastung rechtfertigen. Wenn andere Berufsgruppen ihre Stunden minutengenau dokumentieren – warum dann nicht auch Lehrkräfte?

Die Weigerung, ein Zeiterfassungssystem einzuführen, ist kein Verwaltungsversäumnis, sondern ein politisches Kalkül. Denn eine ehrliche Bilanz der Lehrerarbeitszeit würde zeigen, wie sehr der Beruf auf Selbstausbeutung basiert.

Die Klage des Lehrers ist mehr als ein persönlicher Protest – sie ist ein möglicher Wendepunkt. Denn nur wer misst, kann auch gerecht gestalten. Alles andere ist politisch bequem – aber juristisch kaum noch haltbar.

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