Klima-Shakira vor dem Rauswurf: Warum Österreich eine Aktivistin zur Sicherheitsgefahr erklärt

Aus Protest wird Ausweisung: Wie viel Widerstand verträgt ein EU-Land?
Sie klebt sich auf Straßen, blockiert Verkehr und sorgt regelmäßig für Schlagzeilen – jetzt will Österreich sie loswerden: Die deutsche Klima-Aktivistin Anja Windl, bekannt als „Klima-Shakira“, soll ausgewiesen werden. Der Vorwurf: Sie gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Für die 28-jährige Psychologie-Studentin, die seit Jahren in Graz lebt, ist das ein politisches Signal – sie vermutet: Ihre Haltung gegenüber der Regierung macht sie zur Zielscheibe.
Doch was steckt hinter dem Verfahren? Und darf ein EU-Staat eine Mitbürgerin einfach so des Landes verweisen, nur weil sie lautstark protestiert?
Behörden sehen „erhebliche Gefahr“ – wegen Straßenblockaden
Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat ein Verfahren gegen Windl eingeleitet. In einem Schreiben heißt es, ihr Verhalten stelle eine „tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“ dar. Grund dafür sind unter anderem Verurteilungen wegen illegaler Aktionen, darunter mehrere Straßenblockaden in Österreich und Deutschland.
Windl wurde deswegen bereits in beiden Ländern inhaftiert – kein Einzelfall unter Klimaaktivisten, aber in ihrem Fall offenbar Anlass genug, um ein Aufenthaltsverbot zu prüfen. Besonders brisant: Die Behörden sprechen nicht von Straftaten im engeren Sinne, sondern von einem „Grundinteresse der Gesellschaft“, das durch ihr Verhalten gefährdet sei.
Was klingt wie ein abstraktes Juristen-Vokabular, hat ernste Konsequenzen: EU-Bürger wie Windl können laut österreichischem Innenministerium ausgewiesen werden, wenn ihr Verhalten „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“ gefährdet – selbst ohne neue Straftat. Es reicht, wenn die Behörden ein „Gefährdungspotenzial“ sehen.
Politisch oder rechtlich? Der Fall spaltet die Meinung
Für Anja Windl selbst ist der Fall klar: Ihre Ausweisung sei politisch motiviert. In einem Interview mit BILD erklärt sie, das Verfahren stehe in direktem Zusammenhang mit ihren jüngsten Protesten gegen die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ. Sie sieht sich als politische Aktivistin – nicht als Sicherheitsrisiko.
Sie kündigte an, im Falle einer Ausweisung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Dabei nutzt sie bewusst eine größere Bühne und erklärt gegenüber BILD: „Dass mir die rechtlichen Mittel zur Verfügung stehen, ist genauso wie die Ausweisung nach Deutschland ein Privileg, das viele Schutzsuchende […] nicht haben.“ Damit rückt sie ihre persönliche Situation in den Kontext europäischer Flüchtlingspolitik – und wirft der Politik vor, mit zweierlei Maß zu messen.
Ausweisung trotz EU-Pass? Das sagt das Recht
Rechtlich ist die Lage komplex. Zwar genießen EU-Bürger grundsätzlich Freizügigkeit, doch sie endet dort, wo das Verhalten als ernsthafte Gefahr für die Gesellschaft eingestuft wird. In der Praxis ist das allerdings eine seltene Ausnahme, die meist bei gewalttätigem Verhalten oder organisierter Kriminalität greift – nicht bei politischem Protest.
Ein Land, eine Aktivistin – und die große Grundsatzfrage
Anja Windl ist nicht die erste Aktivistin, die aneckt. Doch sie ist eine der ersten, die dafür als Sicherheitsrisiko eingestuft und abgeschoben werden könnte – innerhalb der EU. Der Fall zeigt, wie dünn die Linie zwischen politischem Aktivismus und staatlicher Reaktion werden kann.
Was für die einen notwendige Konsequenz gegen „Klimachaoten“ ist, wirkt für andere wie ein beunruhigendes Signal: Darf ein EU-Staat kritische Stimmen einfach entfernen, wenn sie zu laut werden? Diese Frage bleibt – auch nach Windls möglicher Ausreise – im Raum.