Gericht rügt Berliner Polizei: Schmerzgriff gegen Klimaaktivist war rechtswidrig

Veröffentlicht am: 05.April.2025Kategorien: Arbeitswelt, RechtlichesLesezeit: 2 Min.
Straßenblockade
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Christina Schröder schreibt über rechtliche Themen für den Love & Law Blog bei Recht 24/7.

Schmerz statt Schutz? Polizeiaktion gegen Klima-Demo geht nach hinten los

Ein Klimaprotest auf der Straße, eine Sitzblockade, die aufgelöst wird – und mittendrin ein junger Aktivist, der sich plötzlich in einem Schmerzgriff wiederfindet. Was für viele nach Routineeinsatz klingt, wurde nun zum Fall für das Berliner Verwaltungsgericht. Das Urteil ist eindeutig: Die Polizei ging zu weit.

Konkret urteilten die Richter, dass der Einsatz von sogenannten Nervendruck- und Schmerztechniken bei einem 21-jährigen Aktivisten rechtswidrig war. Das Urteil (VG 1 K 281/23) betrifft eine Aktion der Klimagruppe „Letzte Generation“ vom April 2023 – und könnte Auswirkungen auf künftige Polizeieinsätze bei Protesten haben.

Der Einsatz war unnötig – und damit unverhältnismäßig

Laut Urteil hätte es mildere Mittel gegeben, um den Aktivisten von der Straße zu entfernen. Die Polizei hatte ihn bei der Sitzblockade mit einem Schmerzgriff „motivieren“ wollen, freiwillig aufzustehen – dabei hätte sie ihn einfach wegtragen können. Es waren ausreichend Einsatzkräfte vor Ort, und der junge Mann hatte keine Anzeichen von Widerstand gezeigt.

„Der Einsatz war nicht erforderlich“, so das Gericht. Und das ist der entscheidende Punkt: In Deutschland ist polizeiliche Gewalt nur dann erlaubt, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist. Schmerzgriffe sind also nicht grundsätzlich verboten – aber sie dürfen nicht zur ersten Wahl werden, wenn es andere, schonendere Möglichkeiten gibt.

Menschenrechtsfragen bleiben offen – Strafrecht sieht keine Schuld

Der Aktivist, der gegen den Polizeieinsatz geklagt hatte, ging noch einen Schritt weiter: Er sah in dem Schmerzgriff einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und verwies auf das Folterverbot der UN-Antifolterkonvention. Das Verwaltungsgericht ließ diese Frage offen – es entschied rein verwaltungsrechtlich über die Rechtmäßigkeit des Einsatzes.

Parallel dazu liefen strafrechtliche Ermittlungen gegen die beteiligten Beamten – sie wurden jedoch eingestellt. Die Staatsanwaltschaft sah keine ausreichenden Beweise, dass die eingesetzte Gewalt unverhältnismäßig war. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ändert daran nichts, könnte aber ein wichtiges Signal setzen: Verwaltungsrecht und Strafrecht bewerten Polizeigewalt unterschiedlich – und beide Perspektiven sind notwendig.

Neue Generation, alte Debatte: Wie viel Polizei darf sein?

Die Klimagruppe, um die es hier geht, hat sich inzwischen umbenannt – aus „Letzte Generation“ wurde die „Neue Generation“. Sie will sich nun nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Demokratie und Gerechtigkeit einsetzen. Und der aktuelle Fall dürfte ihr Rückenwind geben: Wer friedlich protestiert und dabei übermäßig hart angefasst wird, kann sich wehren – und bekommt, wie dieses Urteil zeigt, auch Recht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Berufung ist möglich. Aber es sendet ein klares Signal: Die Polizei muss ihre Einsätze verhältnismäßig planen und ausführen – auch bei unangemeldeten Blockaden. Für Aktivisten ist das Urteil ein kleiner Sieg – für den Rechtsstaat ein wichtiger Hinweis darauf, dass selbst im Konflikt zwischen Ordnung und Protest Rechtsmaß und Menschenwürde gelten müssen.

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