Die mysteriösen Briefe: Wer missbraucht meine Adresse?

Hermann M. lebt in Großhadern, einem ruhigen Vorort von München, in einem Reihenhaus, das er seit Jahrzehnten mit seiner Frau bewohnt. Doch seit einiger Zeit bekommt er immer wieder Briefe, die nicht an ihn, sondern an völlig unbekannte Personen adressiert sind. Was dahintersteckt, könnte auf einen groß angelegten Betrug hindeuten.
Wie aus einer ruhigen Nachbarschaft ein Hotspot für Briefkastenfirmen wurde
Im Oktober 2022 erhielt Hermann M. den ersten Brief – jedoch nicht für ihn. Stattdessen war er an eine „Mirela M.“ adressiert, deren Name ihm völlig fremd war. Doch das war erst der Anfang: Weitere Briefe für Personen mit Namen, die vor allem aus dem südosteuropäischen Raum stammen, landeten in seinem Briefkasten. Es ging um alles Mögliche – von Kontoeröffnungen bei der Sparkasse bis zu Versicherungsanfragen. Alle Briefe hatten eines gemeinsam: Die Namen waren ihm unbekannt.
Warum kamen diese Briefe zu ihm? Hermann M. entdeckte schnell, dass die Personen, die auf diesen Dokumenten genannt wurden, angeblich an seiner Adresse gemeldet waren. Aber wie konnte das sein? Er, der seit 1977 an dieser Adresse lebt und der alleinige Eigentümer des Hauses ist, hatte nie eine dieser Personen zu sich eingeladen.
Ein Betrugssystem, das über seine Adresse läuft?
Die Situation eskalierte, als er feststellte, dass immer mehr Briefe und Mahnungen für diese „Mitbewohner“ eintrafen. Mahnschreiben von Inkassobüros, Dokumente der Deutschen Rentenversicherung und sogar Post vom Bundeszentralamt für Steuern. Hermann M. vermutete, dass hier eine kriminelle Masche am Werk war. Der Verdacht: Betrüger könnten seine Adresse nutzen, um betrügerische Anmeldungen vorzunehmen und so Dienstleistungen oder finanzielle Vorteile zu erschleichen.
Der Verdacht erhärtete sich, als Hermann M. erfuhr, dass einige dieser Personen anscheinend sogar Besuch von der Polizei bekamen. Ein Josip P., der laut den Unterlagen an seiner Adresse gemeldet war, war im April 2023 Ziel einer polizeilichen Ermittlung.
Behörden im Visier: Wer trägt die Verantwortung?
Hermann M. meldete den Fall bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft – doch das Verfahren wurde schnell eingestellt. Die zuständigen Behörden gaben an, dass die betroffenen Personen ihre Anmeldung in der Tat persönlich vorgenommen hätten, allerdings war die „Wohnungsgeberbescheinigung“, die als Nachweis für den Einzug gilt, offenbar gefälscht. Hermann M. versicherte, dass er niemals eine solche Bescheinigung ausgestellt habe. Die Behörden hatten jedoch keine Hinweise darauf, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen war, da die Meldedaten keine detaillierten Informationen zur Art des Hauses enthalten.
Doch das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat nun angekündigt, die Sache weiter zu untersuchen. Besonders interessant wird es, da das KVR derzeit aufgrund eines Korruptionsskandals im Fokus steht, in dessen Rahmen mehrere Mitarbeiter beschuldigt werden, illegal Genehmigungen gegen Geld und Sachleistungen ausgestellt zu haben.
Was ist hier wirklich los?
Die Frage bleibt: Warum nutzen Betrüger die Adressen von unbeteiligten Dritten wie Hermann M. für ihre Machenschaften? Ein naheliegender Verdacht ist, dass die Täter gezielt Adressen in ruhigen Wohngegenden wie Großhadern suchen, um ihre illegalen Aktivitäten zu tarnen. Doch auch die Behörden müssen sich fragen lassen, wie so etwas unbemerkt passieren konnte und warum die Ermittlungen bisher ins Leere liefen.
Wer schützt uns vor Identitätsmissbrauch und Behördenversagen?
Es wird Zeit, dass die Verantwortlichen bei den Behörden ihren Kurs ändern und solche Vorfälle nicht länger als Einzelfälle abtun. Der Fall von Hermann M. zeigt, wie anfällig das System für Missbrauch ist – und das nicht nur in Großhadern. Wer schützt die ehrlichen Bürger vor den Folgen eines solchen Identitätsmissbrauchs? Sollte es wirklich an den Hausbesitzern liegen, sich selbst vor kriminellen Machenschaften zu schützen? Wenn die Behörden weiterhin so lasch reagieren, bleibt die Frage, wie viele weitere Menschen unbewusst in ähnliche Fallen geraten.